antifa velbert – unsere solidarität gegen eure repression


Einblicke in braune Vergangenheit (WAZ v. 8.2.10)
10. Februar 2010, 11:22
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 Velbert. Einleitende und ergänzende Worte zur Lesung sprachen Ingrid Schween sowie Günter Judick, Stadtratsvertreter der Linken. Rainer Koesters langjährige Recherchen über die faschistischen Umtriebe vor und während des Zweiten Weltkrieges in und im Umkreis von Langenberg dokumentieren, dass es wohl keineswegs nur Parteitreue und Mitläufer gegeben hat.
 So existierte eine kleine Gruppe Jugendlicher, die so genannten „Edelweiß-Piraten“, in der sich junge Menschen zusammengeschlossen hatten, deren Bekenntnis zu Freiheit und Selbstbestimmung sie teils brutalen Schikanen durch die NS-Behörden aussetzte. Körperliche Gewalt und Inhaftierungen waren die Folge. Drei junge weibliche Gruppenmitglieder wurden wegen „unbefugten Zeltens“ zu zwei Monaten Haft verurteilt.

 Hintergrund dieser Bestrafungen war freilich eher der kritische Nimbus, freche Lieder und Sprüche und der demonstrative Unwille, sich der diktatorischen Macht zu beugen. Auch aus den Reihen der Langenberger Christen gab es mutige Opposition, so von Kaplan Josef Koppelberg und von Franziskanerpater Elpidius in Neviges.

 Die Nazi-Vertreter selbst hingegen nahmen es mit dem geltenden Recht untereinander offenbar weniger genau. Bekannt sind zahlreiche Fälle von Unterschlagungen durch offizielle Volksvertreter, deren strafrechtliche Verfolgung letztlich im Sande verliefen.

 Ein weiteres Beispiel ist das eines NSDAP-Reichstagsabgeordneten aus Hattingen, der volltrunken mit seinem Fahrzeug einen Fußgänger in Bonsfeld schwer verletzte. Damals wurde jeder einzelne der zahlreichen Zeugen und der zuständige Polizist beschimpft und erheblichem Druck ausgesetzt, so dass viele von ihnen ihre Aussage rückgängig machten und der Fall letztlich nicht weiter verfolgt wurde.

 Koesters Vortrag machte die Willkür und Brutalität des NS- Regimes also auch hier am Ort deutlich. Eindringlich wies er darauf hin, dass es auch aktuell zahlreiche – eher ältere – nationalistisch gesinnte Menschen in Langenberg gebe. Diese, allerdings nicht personifizierbare „obskure“ Szene agiere eher verdeckt, will Koester herausgefunden haben.

 Einige der Zuhörer berichteten dann als Zeitzeugen über eigene Erlebnisse, die ihre Kindheit während des Dritten Reiches geprägt haben. Der 87-jährige Werner Ronig, früher Vertreter der IG-Metall in Velbert, erzählte von wöchentlichen Aufzügen der SS, von Misshandlungen kritischer Bürgerinnen und Bürger in den Räumen des Mädchenlyceums. Ein anderer Zuhörer erinnerte sich an einen katholischen Priester im Kinderheim, der seine Gebete stets mit: „Gott schütze unseren Führer“ schloss.

 „Wehret den Anfängen“ – so mahnte Werner Ronig abschließend und wünschte sich Achtsamkeit in allen Bereichen des öffentlichen Lebens.


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